Nicht alle Helden tragen Umhänge – manche tragen klitschnasse Wanderschuhe
Es gibt diese Momente, die uns innehalten lassen. Momente, die zeigen, wie nah Erschöpfung und Stärke, Alltag und Ausnahme beieinanderliegen. Beim Mammutmarsch in Essen gab es genau so einen Moment – und er wird uns noch lange im Gedächtnis bleiben. Vielleicht habt ihr schon bei Facebook, Instagram oder sogar in der Zeitung von dem Vorfall gehört. Falls nicht, bleibt jetzt unbedingt dran!
Carleen war zum ersten Mal bei einem Mammutmarsch dabei. Ihr Ziel: 75 Kilometer. Eine Strecke, die für sich genommen schon eine ziemliche Hausnummer ist. Wer jemals selbst marschiert ist, weiß: 75 Kilometer sind eine schier endlose Distanz, die Körper und Kopf gleichermaßen fordert. Ab einem gewissen Punkt fühlt sich jeder Schritt wie ein Kampf an, die Füße protestieren, der ganze Körper schreit nach einer Pause – und der Kopf ringt mit dem Aufgeben. Eine heftige Challenge also. Doch was Carleen an ihrem Event-Tag erlebte, stellte alles in den Schatten.
Eine dramatische Szene am See
Unser Mammutmarsch in Essen führt am Baldeneysee entlang. Ein besonders idyllischer Abschnitt, der den Teilnehmern aber enorm viel abverlangt. Denn das ist der Part, an dem es richtig hart wird: 65 Kilometer. Vermeintlich nah am Ziel, aber doch noch 10 Kilometer entfernt. 10 Kilometer, die sich ewig ziehen, wenn Kopf und Körper nicht mehr wollen.
So ging es auch Carleen. Alles tat weh. Das Limit war längst erreicht. Jetzt hieß es: Kopf ausschalten und einfach einen Fuß vor den anderen setzen. Man könnte meinen, dass die Teilnehmer irgendwann einfach abschalten. Nichts mehr um sich herum wahrnehmen…
… aber Carleen ist das absolute Gegenbeispiel. Im See geriet eine Familie in höchste Gefahr. Mutter, Vater, Sohn, ein Dreiergespann. Die Mutter stürzte von ihrem SUP-Brett ins Wasser – und konnte augenscheinlich nicht schwimmen. Panik brach aus. Ihr Mann versuchte, sie herauszuziehen. Doch er scheiterte und brachte sich selbst in Lebensgefahr. Auf dem Board blieb ihr kleiner Sohn allein zurück, hilflos, mitten im See.
Und Carleen? Sie war in einem Moment, in dem andere vielleicht wie betäubt weitermarschieren würden, plötzlich hellwach. Innerhalb von Sekunden wich die Erschöpfung einem klaren Impuls: Hier zählt jede Reaktion, hier geht es um Leben und Tod. Situationen wie diese eskalieren blitzschnell – und dann braucht es jemanden, der nicht zögert, sondern handelt. Jemanden wie Carleen.
„Ich habe gar nicht überlegt – ich bin einfach gesprungen“
Nach 65 Kilometern war Carleen eigentlich am Ende ihrer Kräfte. Eigentlich. Denn in diesem Moment zählte kein Schmerz, keine Erschöpfung. In voller Montur stürzte sie sich ins Wasser, schwamm gemeinsam mit einem weiteren Helfer zur Familie und half, die Familie zurück an Land zu bringen. Am Ufer taten die Helfer alles, um die völlig unterkühlte Frau zu stabilisieren – mit Jacken, Rettungsfolie, mit allem, was sie im Rucksack finden konnten, bis der Rettungsdienst eintraf.
Und Carleen? Hatte noch eine Mission zu erfüllen. Abbrechen kam nicht in Frage, allen Umständen zum Trotz. Mit triefend nasser Kleidung, schwerem Gepäck und durchweichten Tapes an den Füßen setzte sie ihren Marsch fort. Zehn Kilometer. Zehn Kilometer, die nicht mehr vom Willen, sondern von etwas Größerem getragen wurden. „Nach so einem Moment trägt dich etwas anderes. Etwas, das keine Erschöpfung kennt“, sagte sie später.
Was tun, wenn jemand im Wasser in Not ist? 🚨💦
So beeindruckend Carleens Einsatz war – noch wichtiger ist, dass niemand sein eigenes Leben leichtfertig riskiert. Wenn du in eine ähnliche Situation kommst, gilt:
- Erst den Notruf wählen (112): Jede Sekunde zählt, und die Profis müssen sofort alarmiert werden.
- Eigene Sicherheit geht vor: Nur ins Wasser gehen, wenn du dich selbst sicher fühlst. Strömung, Kälte und Panik können extrem gefährlich sein.
- Hilfsmittel nutzen: Werfen statt springen – ob Rettungsring, Ast, Jacke oder auch ein SUP-Board. Alles, was Distanz schafft, kann helfen.
- Mit anderen koordinieren: Umstehende ansprechen, Aufgaben verteilen (Notruf, Helfen, Absichern).
- Unterkühlung bedenken: Gerettete warmhalten, nasse Kleidung entfernen, Rettungsdecke oder trockene Sachen verwenden, bis Hilfe eintrifft.
👉 Mut und Hilfsbereitschaft sind großartig – aber die wichtigste Regel ist: Rette nur, wenn du dich selbst nicht in Lebensgefahr bringst.
Wenn aus Schritten Haltung wird
Carleens Geschichte zeigt, dass der Mammutmarsch nicht in Zahlen zu messen ist. Die wahre Bedeutung liegt nicht in Trainingsplänen oder zurückgelegten Kilometern. Sondern darin, mutig zu sein und in entscheidenden Augenblicken über sich selbst hinauszuwachsen – manchmal nicht für das eigene Ziel, sondern für das Leben anderer.
Nicht alle Held*innen tragen Umhänge. Manche tragen Wanderschuhe, nasse Socken und Blasenpflaster.
Carleen ist dafür ein bewegendes Beispiel. Doch sie war nicht allein: Andere Mammuts hielten an, setzten den Notruf ab, standen ihr und der Familie in Not zur Seite. Es war dieser stille Zusammenhalt, der aus einem dramatischen Augenblick eine gemeinsame Rettung machte. Genau diese Haltung ist es, die wir uns wünschen – nicht nur auf der Strecke, sondern im ganzen Leben.
Ein Appell an uns alle
Wir können Carleens Mut bewundern. Aber noch wichtiger ist, dass wir ihn in uns selbst wachrufen. Mit offenen Augen durch die Welt zu gehen. Hinzusehen, wo andere wegschauen. Zuzupacken, wenn Hilfe gebraucht wird. Manchmal sind es kleine Gesten. Manchmal, wie hier, ein Sprung ins Wasser, der über Leben und Tod entscheidet.
Das ist Mammutmarsch: kein bloßes Event, sondern ein Ort, an dem Menschen beweisen, wie viel Herz in ihnen steckt.
Danke, Carleen, für deine Stärke, deinen Mut und dein Mitgefühl. Und danke an all die Mammuts, die in diesem Moment nicht an sich dachten, sondern an andere. Solche Momente vergisst man nicht. 💛
Autorin: Brit Weirich
Diese Beiträge könnten dich auch interessieren: