Eine Kampfansage an die harten Zeiten: Wie Bianca nach drei Schlaganfällen den Mammutmarsch rockt

Bianca erlebte beim LittleMammut Ruhr eine Mammutmarsch-Premiere der ganz besonderen Art! Nach drei Schlaganfällen und derben Rückschlägen kämpfte sie sich zurück und bewies sich selbst und allen anderen, dass nichts und niemand sie in die Knie zwingen kann. Aber lassen wir die Teilnehmerin selbst erzählen…

Januar 2021: Wie alles begann

Ich erinnere mich noch genau: Es war der Morgen des 6. Januar 2021. Ich hatte eine komische Nacht hinter mir, weil meine beiden Hunde ganz merkwürdige Verhaltensweisen an den Tag legten. Mein junger Rüde lag die ganze Nacht bei mir, und auch meine Hündin, die eigentlich nicht besonders kuschelig ist, kam dauernd zu uns ins Bett.

Ich wunderte mich, startete dann aber wie immer in den Tag und fuhr zur Arbeit. Freak (meinen jungen Rüden) nahm ich wie immer mit. Auf der Arbeit angekommen, ging es dann los. Ich hatte starke Schmerzen im Hinterkopf und verspürte einen permanenten Druck. Als ich Freak kurz darauf sein Futter gab, passierte es: Ich richtete mich wieder auf und mir war so schwindelig, dass ich nicht einen Meter gehen konnte und mich nur noch versuchte, auf einen Stuhl zu retten.

Ich rief nach meiner Kollegin, die mich allerdings nicht hörte. Komisch, dachte ich noch – denn ich konnte sie die ganze Zeit hören. Generell nahm ich alles auf einmal ganz laut wahr. Eine andere Kollegin hörte mich zum Glück und half mir, indem sie erst einmal versuchte, mich zu beruhigen. Man kennt mich eigentlich immer als die „Starke“. Und plötzlich saß ich da, komplett in Panik verfallen.

Meine ratlosen Kolleginnen wollten mich zum Arzt bringen. Auf dem Weg zur Tür fiel auf, dass ich extrem nach rechts taumelte und kaum selbstständig gehen konnte. Mir wurde unfassbar übel. Der Krankenwagen wurde gerufen…

Der größte Witz: Die Rettungssanitäter wollten mich zum Orthopäden schicken, da sie annahmen, ich hätte einen Nerv eingeklemmt. So lag ich da also, angeschlossen an diversen Geräten, und entschuldigte mich permanent für diese Unannehmlichkeiten.

Diagnose: Drei Schlaganfälle im Kleinhirn

Dank meiner Kollegin, die den Rettungskräften mitteilte, dass meine Mama damals an einem Schlaganfall verstarb und ausdrücklich darauf bestand, wurde ich ins Krankenhaus gefahren. Nach einigen Stunden, die sich wie eine halbe Ewigkeit anfühlt, erfuhr ich dann, dass ich drei Schlaganfälle im Kleinhirn erlitten hatte und das Gefäß noch immer verschlossen sei. Was der Auslöser war und wie es nun weitergehen sollte, konnte mir zu diesem Zeitpunkt keiner sagen.

Ich weiß, dass ich niemals einen Krankenwagen gerufen hätte, wenn mir das Zuhause passiert wäre. Ich bin meiner Kollegin so dankbar, dass sie so vehement darauf bestanden hatte, dass ich ins Krankenhaus kam! Sonst würde es mir heute wahrscheinlich ganz anders gehen.

FAST-Test: Schlaganfall erkennen

Face (Gesicht): Bitte die Person, zu lächeln. Hängt ein Mundwinkel herab, kann das auf ein Warnzeichen sein.

Arms (Arme): Bitte die Person, die Arme nach vorne auszustrecken und die Handflächen nach oben zu drehen. Bei einem Schlaganfall ist es Betroffenen in der Regel nicht möglich, beide Arme gleichzeitig zu heben.

Speech (Sprache): Lasse die Person einen einfachen Satz nachsprechen. Ist das nicht möglich oder klingt die Aussprache verwaschen, ist auch das ein Warnzeichen.

Time (Zeit): Keine Zeit verlieren! Wähle unverzüglich die 112 und schildere die Symptome.

„Warum passiert mir so etwas?“

Ich muss sagen, ich habe wirklich kein einfaches Leben gehabt. Genau aus diesem Grund bin ich wahrscheinlich eine Kämpfernatur. Die Tage im Krankenhaus waren aber alles andere als leicht. Ich war zuvor noch nie im Krankenhaus und durfte aufgrund der Corona-Situation keinen Besuch empfangen. Ich vermisste meine Verlobte und meine Tiere so unendlich. Dazu kamen diese ganzen Schicksale, von denen ich auf der Station zwangsläufig mitbekam.

Ich begann, mich um meine Zimmernachbarinnen zu kümmern, die nur schlecht zurechtkamen. Dadurch lenkte ich mich vor allem von meinen eigenen Gedanken ab. Innerlich war ich genervt und frustriert von allem. Ich fragte mich (und das tue ich auch heute noch): Warum passiert mir so etwas?

„Der Vorfall hat Vieles verändert – leider nicht zum Positiven“

Der Gedanke an meine Frau und all meine Tiere, die Liebe, die ich von ihnen tagtäglich bekomme… Das sind Dinge, die mich am Leben gehalten haben.

Aber ich will ehrlich sein: Auch heute bin ich noch sehr oft frustriert. Der Vorfall hat Vieles in meinem Leben verändert. Leider nicht zum Positiven.

Manchmal habe ich zum Beispiel noch Probleme mit meiner Merkfähigkeit. Außerdem kommt es hin und wieder zu Wortfindungsstörungen und ich komme generell oft durcheinander. Ich dachte, vorher war ich eine Chaotin. Aber heute ist es wirklich oft so, dass ich mir selber auf die Nerven gehe. Diese Nachwirkungen sind mir auch oft peinlich, da viele ja nicht wissen, warum ich manchmal so „dulle“ wirke. Mein Gleichgewicht spielt manchmal noch nicht ganz mit und derzeit habe ich wieder viele Probleme mit Schwindel.

Mammutmarsch trotz Schlaganfall?

Tatsächlich bin ich noch nie wirklich gewandert. Ich habe ein Pferd, mit dem ich viel laufe, sowie zwei Deutsche Schäferhunde, mit denen ich immer unterwegs bin. Vom Mammutmarsch habe ich über Social Media erfahren und mich dann auf YouTube informiert. Die Videos von all den verrückten Menschen haben mich angestachelt und ich dachte mir: „Da haste auch Bock drauf.“

Das war aber schon 2020, also vor meinem Schlaganfall. Nach meinem Schlaganfall war natürlich erstmal nicht mehr an den Mammutmarsch zu denken. Aber irgendwie hatte sich der Plan doch in meinem Kopf verankert. Im Jahr 2020 begann ich dann tatsächlich, mich auf den Marsch vorzubereiten und einige Trainingsmärsche durchzuziehen.

Nach dem Vorfall haderte ich dann lange mit mir, ob ich mich trotzdem anmelden soll. Ich machte testweise noch einmal einen Probemarsch von knapp 30 Kilometern. Zur Sicherheit nahm ich meinen Hund mit und sendete meiner Frau meinen Live-Standort. Und siehe da: Ich fühlte mich top, entschied mich, beim Mammutmarsch zu starten, und dann war der große Tag auch schon gekommen. Ich habe es bis zum Schluss kaum realisiert, dass ich mich nun wirklich auf den Weg mache und teilnehme – und das auch noch ganz alleine. Ich war so aufgeregt, dass ich alles und jeden verrückt gemacht habe 😀 Ein bisschen, wie ein kleines Kind zu Weihnachten.

Nach dem langen Krankheitsweg könnte man meinen, dass ich nur ein Ziel habe: Ankommen! Tatsächlich waren meine Pläne aber weitaus ambitionierter! Ich hatte mir vorgenommen, nicht länger als neun Stunden zu brauchen. Im Nachhinein frage ich mich, was ich mir dabei gedacht habe. Letztlich kann ich sagen: Es lief anders als erwartet und gehofft. Aber es lief. Und zwar einigermaßen gut.

Mammutmarsch aka „der doofen Zeit einen Arschtritt verpassen“

Am Start war ich erst einmal total überwältigt. Das alles hatte eine so große Bedeutung für mich. Ich wollte es mir selbst beweisen und meiner doofen Zeit einen kleinen Arschtritt verpassen. Die Stimmung war bombastisch: Die Teilnehmer waren alle unfassbar lieb und trotz der frühen Uhrzeit super gut gelaunt. Ich hatte dauerhaft Gänsehaut…

…aber dann ging es auch schon los. Die Masse drubbelte sich etwas und wir liefen in einem großen Pulk gemeinsam bis zum ersten Verpflegungspunkt. Meine Füße brannten in den recht neuen Wanderschuhen schon nach kurzer Zeit. Die wunderschöne und abwechslungsreiche Strecke entschädigte mich aber ein wenig.

Meine Gefühlslage: Irgendwas zwischen kompletter Überforderung und Überwältigung, weil meine Mitwanderer einfach toll waren. An dieser Stelle noch einmal DANKE an alle! Vor allem an das nette Paar, mit dem ich eine ganze Weile zusammen gelaufen bin. Ich profitierte von ihren Erfahrungen und wir machten eine große Pause am zweiten VP. Das kann ich übrigens nur empfehlen: Lieber fünf Minuten länger und dann aber fit für den restlichen Weg. Wobei „fit“ auch nur teilweise auf mich zutraf: Wie so viele blieb auch ich nicht von Blasen verschont. Zwischendurch dachte ich, ich könnte keinen Schritt mehr tun. Dann ging es auch noch bergauf. Nur die Aussicht auf Cola trieb mich an – das war aber leider eine Fehlinformation, wie ich oben angekommen enttäuscht feststellte.

„Ich habe SO tolle Menschen kennengelernt!“

Mir haben wildfremde Menschen so viele Tipps gegeben, mir mit Verbandsmaterial ausgeholfen und ermutigende Worte gefunden, damit ich irgendwie weiter laufen konnte – und das tat ich. Leider deutlich langsamer und unter Schmerzen, die ich so auch noch nicht kannte, aber jeder hat den anderen angespornt. Das war ein unbeschreibliches Gemeinschaftsgefühl. Am letzten VP traf man dann seine Helfer nochmal wieder und ich war stolz wie bolle, dass ich noch dabei war.

Leider schaffte ich meine geplante Zeit nicht, aber schlussendlich war das vollkommen egal. Als ich mich mit meinen Wanderbuddies auf die Ziellinie zubewegte, bekam ich Gänsehaut und Glücksgefühle. Es dämmerte leicht und wir wurden einfach so unfassbar geil empfangen, dass mir Tränen über die Wangen liefen. Ich war einfach so überwältigt von dieser Stimmung, dem Licht und einfach von allem. Eins weiß ich: Ich werde definitiv wieder mitlaufen. Wann weiß ich allerdings noch nicht genau.

Alleine anmelden heißt nicht alleine wandern!

An alle, die noch etwas unsicher sind: Meine Sorge, beim Mammutmarsch allein dazustehen, war unbegründet. Der Mammutmarsch verbindet. Schon im Vorfeld fand ein herzlicher Austausch in der Facebook-Gruppe statt. Auch, wenn man anfangs unsicher ist: Die Leute vor Ort sind einfach alle so lieb und herzlich, dass man sich gleich viel wohler fühlt.

Und zum Abschluss noch eine wichtige Message: Wenn mir meine Mammutmarsch-Teilnahme eines gezeigt hat, dann ist es, dass man seine Ziele nicht aufgeben darf. Ganz egal, wie weit sie weg zu sein scheinen. Jagt ihnen hinterher, bis ihr sie erreicht habt. Und auch, wenn gewisse Tage einfach ätzend sind und man oft nicht mehr weiter weiß: Manchmal sind es die kleinsten Dinge, die aus uns das Größte werden lassen.😊

 

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