Mammutmarsch NRW oder auch „Der Endgegner”

Wahrscheinlich gibt es keinen Mammutmarsch, der so verteufelt wird wie der Mammutmarsch NRW. Nicht ohne Grund wird die Strecke von den Teilnehmern mittlerweile nur noch als “Endgegner” bezeichnet. Trotzdem haben es in diesem Jahr deutlich mehr Mammuts in Ziel geschafft als im Jahr zuvor. Aber ganz egal, ob am Ende 50, 70 oder 100 Kilometer auf der Urkunde standen: Das war ein Wochenende der Extraklasse! Grandioses Wetter, wunderschöne Natur, krasse Steigungen und natürlich wahnsinnig viele Emotionen. 

Die Finisherquote lag bei 42 Prozent! ZEHN Prozent mehr als letztes Jahr – und das beim härtesten Hunderter überhaupt. 

Hunderte “Positiv-Verrückte” haben sich dem Endgegner gestellt. Darunter auch ich. 100 Kilometer, 2200 Höhenmeter. Vom alten Bahnhof in Wuppertal-Wichlinghausen ging es über Gevelsberg, Herdecke und Witten schließlich durch das Ruhrtal und wieder zurück zum Ausgangspunkt. Ob es hilfreich war, dass ich die Strecke schon von letztem Jahr kannte? Absolut nicht. Ich wusste, was kommt, und das war nicht schön. Zwischendurch habe ich mir mein vergangenes, unwissendes Ich zurückgewünscht. Denn der “Endgegner” ist wirklich nicht ohne. 

Nachdem die Strecke anfangs noch einen auf unschuldig macht und schön ebenmäßig die Nordbahntrasse entlangführt, wird man nachts vom dunklen Wald verschluckt, der einen nicht nur mit fiesen Höhenmetern, sondern auch mit tückischen Wurzeln alias Stolperfallen überrascht. Morgens denkt man dann kurz “Yes, das Schlimmste ist geschafft.” Ein Gedanke, über den man im Ziel nur noch müde lächeln kann. Nicht nur, dass sich die letzten Kilometer unglaublich in die Länge ziehen – kurz vor der Zielgeraden zeigt Wuppertal sich dann auch nochmal von seiner gemeinsten und steilsten Seite. Falls das ein Versuch sein sollte, uns die Stadt schmackhaft zu machen: Das hat bei den meisten von uns wohl nicht geklappt. 

Auch ich habe mich also dem “Endgegner” gestellt zum zweiten Mal. Dabei habe ich letztes Jahr so geflucht und mir im Ziel eigentlich gesagt: “Gut, das habe ich jetzt einmal geschafft, das brauche ich kein zweites Mal.” Tja. Das scheint so ein typisches Mammut-Ding zu sein…

Sonntag: NIE WIEDER!!!

Montag: Eher nicht nochmal…

Dienstag: Hm, vielleicht doch nochmal?

Mittwoch: Ach komm, lass anmelden!

Erkennt sich da irgendjemand wieder? 😉

Hassliebe Mammutmarsch, aber viel mehr Liebe als Hass

Ganz egal, wie viel über die Strecke geflucht wurde (ich nehme mich da selbst nicht raus): Alles in allem hat das Wochenende einfach unglaublich viel Spaß gemacht, oder? Corona-Bedingungen hin oder her, die Stimmung unter den Teilnehmern und Volunteers hätte nicht besser sein können, und auch das Wetter hat uns nicht im Stich gelassen. Obwohl ich die Strecke schon kannte, war ich aufs Neue begeistert von der Natur. Dass NRW so etwas zu bieten hat, überrascht mich immer wieder. Ich weiß ja nicht, wie es euch ging, aber die Nebelschwaden am frühen Morgen über der Ruhr lassen die Blasen doch für einen klitzekleinen Moment ein bisschen weniger schmerzhaft erscheinen, oder? 

Verpflegungspunkte – so viel mehr als nur Verpflegung

Noch besser als dieses Naturspektakel finde ich allerdings die sauren Gurken und den heißen Kaffee an den Verpflegungspunkten. Zusammen mit den aufmunternden Worten der supertollen Volunteers ergibt das für mich das perfekte “All-Inclusive-Motivationspaket”. 

Man kann es nicht oft genug sagen. DANKE an alle Helfer, ihr seid spitze und ohne euch wäre der ein oder andere sicherlich nicht so weit gekommen. 

Ich selbst habe kaum Pause gemacht, um meine Zeit zu verbessern. Und trotzdem hätte ich keinen dieser Verpflegungspunkte missen wollen. Selbst, wenn es nur wenige Minuten waren Nach stundenlanger Anstrengung mitten in der Nacht mit einem aufmunternden Lächeln und sauren Gurken versorgt zu werden, tut mindestens genauso gut, wie andere “Leidensgenossen” zu treffen. 

Sich austauschen, sich gegenseitig Mut machen, mit Snacks und Blasenpflastern dealen… Ich habe das Gefühl, dass die Mammut-Community etwas ganz Besonderes ist und dieser Zusammenhalt schon dem ein oder anderen zum Finish verholfen hat. Dass sich wildfremde Menschen gegenseitig unterstützen und anspornen ist doch einfach großartig. (Na gut, außer, wenn dieser Ansporn aus Sätzen wie “Das Heftigste kommt erst noch.” besteht.)

Geteiltes Leid ist halbes Leid! 

Gemeinsam wandert es sich doch einfach besser. Allein deshalb waren die Verpflegungspunkte ein Segen: Da die Startgruppen coronabedingt entzerrt wurden, konnte es teilweise nämlich ganz schön einsam auf der Strecke werden. Was das anging, waren die Verpflegungspunkte für viele wohl auch die Gelegenheit, vor Einbruch der Dunkelheit nach einem Laufkumpanen Ausschau zu halten. 

Mitten in der Nacht, mitten in der Pampa, allein? Das wäre mein persönlicher Mammut-Horror. Einigen geht es da anders, ich weiß. Ich hingegen war froh, einen großartigen Laufbuddy getroffen zu haben, der mich nicht nur tempomäßig mitgezogen hat, sondern mich zwischendurch auch mit Sandwichs und aufmunternden Worten versorgte.

Ein zweites, drittes, xtes Mal: Wird es eigentlich leichter? 

Nur, weil man den Mammutmarsch schon einmal geschafft hat, ist das noch lange keine Garantie! Diese Distanz ist und bleibt eine Grenzerfahrung, und jedes Event ist anders und unvorhersehbar. Das erfordert Mut und Risikobereitschaft. Wir können nie zu 100 Prozent wissen, wie unser Körper auf die Anstrengung reagieren wird, egal, wie gut wir uns vorbereiten. Regen, die falschen Schuhe, eine Wurzel, über die man stolpert… Manchmal kann schon das kleinste Rädchen alles außer Kontrolle bringen. 

Ganz egal, wie viele Mammutmärsche man zurücklegt: Zu sagen, es wird “einfacher” würde die eigene Leistung schmälern. Es wird nicht leichter. Wenn überhaupt, wirst du besser! 💪 Wenn der Körper “Nein” schreit, der Kopf aber “Scheiß drauf” sagt und dich dein mentaler Biss ins Ziel trägt, dann kannst du zurecht auch nach dem hundertsten Mammutmarsch stolz auf dich sein. 

Zwei neue Blackbelts: Ronny und Melanie haben ihren Tausendsten Kilometer erwandert! 

Stolz können auch Ronny Gleichmann und Melanie Dibbern sein! Die beiden “Ur-Mammuts” haben sich in NRW nämlich ihren Blackbelt erkämpft. 

Gekämpft hat Melanie wohl wortwörtlich: Nach dem dritten Anlauf in Wuppertal hat es endlich geklappt und die vielen Aufnäher auf ihrem pinken Wanderrucksack haben Gesellschaft vom “1000-Kilometer”-Patch bekommen! 

“Die letzten 2 Jahre musste ich leider abbrechen, da hat es körperlich oder mental einfach nicht gereicht. Und das, obwohl ich ja schon einige andere 100er ohne Berge gefinisht hatte. Dieses Jahr hatte ich natürlich einen wahnsinnig großen Anreiz im Ziel anzukommen, weil ich wusste, dass ich dann als erste Frau den 1000-Kilometer-Aufnäher bekomme. Und ich wollte ihn so sehr!!!”

Gut im Training war ich auch, weil ich ja erst 4 Wochen vorher in Berlin die 100 Kilometer gefinisht hatte. Trotzdem war es wieder ein Kampf. Ich habe Melanie gefragt, was bisher ihre absoluten Highlights waren und woher sie ihre Motivation nimmt.

“Ich habe auf der Strecke wieder wahnsinnig viele tolle Menschen kennengelernt. Das gehört auch zu meinen Mammutmarsch-Highlights. Die vielen neuen Mammut-Freunde, die ich in den letzten Jahren kennenlernen durfte! Ich mag diese große Gemeinschaft, besonders so ab Kilometer 60/70, wenn alle gemeinsam leiden und man immer wieder die gleichen Leute abwechselnd überholt. Tolle Unterhaltungen, aufbauende Worte…! Dieses Jahr war natürlich der 1000er mein Highlight. Ich habe schon von Weitem gesehen, wie Sascha den Aufnäher hochgehalten hat, bis ich im Ziel war. Ein unbeschreibliches Gefühl.”

Dafür, dass dir (Zitat Melanie) “Höhenmeter einfach nicht liegen”, ist dein NRW-Finish eine Wahnsinnsleistung! Herzlichen Glückwunsch, liebe Melly! Auf viele weitere Märsche, auf viele weitere Patches! 

Auch für Ronny ist nach diesem “Zwischenziel” noch lange nicht Schluss:

“Es gibt immer wieder etwas Neues zu entdecken, die Teilnahme und auch ab und an die Mithilfe bei der Organisation (Streckenmarkierungen) macht ja Spaß und man findet auch immer wieder aufs Neue Freunde und gute Bekannte.”

Nach meinen zwei Mammutmärschen kann ich da nur sagen: Respekt! Ich habe Ronny gefragt, woher er seine Motivation nimmt. 

“Meine Motivation bezieht sich aus vielen Dingen, hauptsächlich sicherlich auch ein wenig für die zu erwartende Anerkennung von etwas, was man zu leisten im Stande ist.” 

Dass der Veranstalter diese starke Leistung mit Patches und nun einem Blackbelt belohnt, ist natürlich auch ein Anreiz: “So hat man immer ein gewisses Ziel, aber alles ist freiwillig und ohne Zwang.”

Was ich spannend finde: Ronny bezeichnet sich selbst weniger als den klassischen “Sportwanderer”. Ihm geht es nicht um Höchstleistungen, sondern um den reinen Spaß am Tun: “Vieles was mich da bewegt ist sehr philosophisch begründet.” 

Wenn du alles gibst, kannst du dir nichts vorwerfen

Aber ganz egal, welchen Kilometer ihr in Wuppertal geknackt habt: Ihr könnt auf jeden einzelnen davon stolz sein. Es ist absolut keine Schande, nicht ins Ziel zu kommen. 30, 50 oder 70 Kilometer auf den eigenen zwei Füßen zurückzulegen, ist eine krasse Leistung. Und wenn man durch all die Facebook-Posts scrollt, fällt vor allem eines auf: Ihr habt Biss! Viele, die vorzeitig ausgestiegen sind, haben Blut geleckt, und wollen es nochmal probieren. Respekt! Auch ihr werdet den Endgegner besiegen!

1 Kommentar

  1. Ich habe 80 km. geschafft bin dann wegen einer Extrem Blase ausgestiegen ( LEIDER ) Ich starte nächstes Jahr noch einmal und dann bezwinge ich den ENDGEGNER.
    Es reizt einfach den zu knacken, es ärgert mich das ich die zwanzig nicht mehr gemacht habe

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