Shit Happens, gehört aber dazu
Über den Umgang mit dem Misserfolg
Jeder scheitert. Du, ich, wir alle. Und das tut weh. Man bereitet sich vor, wochenlang, sogar monatelang. Nicht nur körperlich, sondern auch mental. Man spürt die Vorfreude, fiebert einem bestimmten Event entgegen und dann folgt die große Ernüchterung: Es klappt einfach nicht. Man kommt nicht ins Ziel, schafft seine Zeit nicht, verletzt sich womöglich. Scheitern sieht für jeden anders aus, und auch die Gründe dafür könnten vielfältiger nicht sein. Die falsche Vorbereitung, eine schlechte Ausrüstung, ein zu großer Druck oder einfach nur Pech.
Misserfolg ist etwas, über das nicht gerne gesprochen wird. Scheitern gilt als Zeichen der Schwäche. Der Leistungs- und Erwartungsdruck in unserer Gesellschaft ist hoch! Umso größer ist die Frustration, wenn mal etwas nicht so funktioniert wie geplant. Misserfolg kann richtig an einem zehren, oft auch über einen langen Zeitraum.
Wenn wir scheitern, kommen Selbstzweifel auf, wir sind enttäuscht und vielleicht überlegen wir sogar, alles hinzuwerfen. Oft ist die erste Reaktion von Außenstehenden: “Kopf hoch, positiv denken. Das wird schon wieder.” Einen solchen “Rat” hat wahrscheinlich jeder von uns schon einmal bekommen und auch selbst verteilt. Geholfen ist einem damit allerdings nicht, oder?
Aber wie sollte man mit Misserfolg umgehen? Und kann man am Ende tatsächlich noch etwas Positives daraus ziehen? Vier Anregungen, mit denen ihr euer Scheitern in Zukunft vielleicht ein bisschen anders betrachtet!
1. Positiv denken ist gut. Manchmal aber nicht hilfreich.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der man ständig mit einem “positiven Mindset” durch die Gegend rennt. Positives Denken hat sich regelrecht zum Geschäftsmodell entwickelt: Motivationscoachings, Ratgeber “zum Glück” und das Versprechen, dass wir alleine durch unsere mentale Einstellung alles schaffen können, sei es Size Zero oder die Millionen auf dem Konto. Mit der Zeit ist ein regelrechter Kult um das positive Denken entstanden.
Eine positive Einstellung ist gut und wichtig, und hat erwiesenermaßen große Auswirkungen auf unser Handeln. Aber mal ehrlich: Niemand von uns ist ein Dauergrinser. Oder? Natürlich ist es nicht verkehrt, an einer positiven Grundeinstellung zu arbeiten und die Dinge nicht dauernd schwarzzumalen. Wenn wir uns das Negative aber zwanghaft verbieten, kann das nach hinten losgehen. Warum?
Im Leben läuft nicht immer alles rund, und das ist auch gut so. Was wäre der tollste Erfolg ohne Misserfolg? Alles mit einem “Kopf hoch” zu überspielen führt möglicherweise dazu, dass wir den Blick für die Realität verlieren. Wer immer nur positiv denkt und gar nicht in Erwägung zieht, dass sein Vorhaben eventuell scheitern wird, ist am Ende umso enttäuschter. Ein gesunder Realismus bewahrt uns also nicht nur vor einem Realitätsverlust, sondern nimmt auch ein Stück weit den Erfolgsdruck. Die Folge: Wir trauen uns mehr zu.
Eine realistische Denkweise bedeutet auch gleichzeitig, kritisch zu denken und sich konstruktiv mit Herausforderungen und dem potenziellen Fall des Scheiterns auseinanderzusetzen. Das kann zum Beispiel so aussehen, dass man sich bereits im Vorfeld einen Plan B überlegt, falls Plan A nicht funktioniert.
Failure is not the opposite of success, it’s part of it.
Wo Raum für Negativität ist, wird Negatives nicht verdrängt, sondern angenommen, verarbeitet und schließlich losgelassen. Nur, wenn wir uns mit unserem Scheitern auseinandersetzen, können wir auch hilfreiche Antworten auf die Frage finden, warum wir gescheitert sind und was wir beim nächsten Mal besser machen können. Krisen beinhalten immer auch Chancen!
2. Gesunde Selbstkritik: die Einstellung zu sich selbst überdenken
Wer scheitert, sucht in der Regel nach Gründen dafür. Hier kann man zwischen zwei verschiedene Typen unterscheiden:
1. Man sucht die Ursache eines Ereignisses bei sich selbst. Die meisten Menschen tun dies, wenn sie Erfolg haben (auch „internale Kausalattribuierung“ genannt).
“Ich habe den Mammutmarsch aufgrund meiner guten Vorbereitung und meines eisernen Willens geschafft.”
2. Man sucht die Ursache eines Ereignissen in äußeren Faktoren – meist bei Misserfolg (auch „externale Kausalattribuierung“ genannt)
“Ich bin nicht ins Ziel gekommen, weil das Wetter und die Streckenmarkierungen schlecht waren.”
Dass wir uns Erfolge meist selbst zuschreiben und Misserfolge auf äußere Faktoren zurückführen, ist eine ganz natürliche Reaktion. Auf diese Weise schützen wir uns und unser Selbstwertgefühl. Allerdings ist es auch wichtig, sich selbst kritisieren zu können, denn nur so können wir uns weiterentwickeln.
Bei manchen Menschen ist es aber auch andersherum: Sie sehen hinter Erfolgen nicht ihre eigene Leistung, geben sich aber für jeden Misserfolg die Schuld.
Sowohl das eine als auch das andere Extrem kann bedenklich sein. Ob Erfolg oder Misserfolg: Beides kann ein guter Anlass sein, um die eigene Einstellung zu überprüfen und an einem gesunden Mittelmaß zu arbeiten.
3. Prozessziele > Ergebnisziele
”Der Weg ist das Ziel.” Was schon Konfuzius wusste, hat immer noch Gültigkeit: Wenn man seine persönliche Vision nicht erreicht, kann der Fokus auf den Weg ein wertvoller Anker sein! Das bedeutet konkret: Setze dir schon im Vorfeld flexible Alternativziele.
Wenn du zum Beispiel beim Mammutmarsch merkst, dass die 100 nicht drin sind, wandle dein “Ergebnisziel” doch in ein “Prozessziel” um: “Dann eben 50 oder 70 statt 100 Kilometer.” So kannst du deine Leistung viel eher als solche wertschätzen, anstatt ihr direkt den Misserfolgs-Stempel aufzudrücken.
4. Misserfolg? Nö! Herausforderungen und lehrreiche Lektionen
Klar, manchmal will man einfach frustriert sein und “Fuck it!” denken dürfen. Wenn diese erste Phase aber überstanden ist, kann man dazu übergehen, seine Misserfolge zu analysieren und zu nutzen, anstatt sich weiterhin fertig zu machen.
“Sometimes you win, sometimes you learn.”
Du hast dein Ziel nicht erreicht. Was kannst du daraus lernen? Kannst du an deiner inneren Einstellung arbeiten, dich mental besser vorbereiten, dein Training kritisch hinterfragen oder deine Ausstattung verbessern? Du hast jetzt die Möglichkeit, mit neuen Erkenntnissen noch einmal von vorn zu beginnen.
War dein Ziel womöglich zu hochgesteckt? Wie wär’s, wenn du erst einmal ein kleineres Ziel ansteuerst? Es müssen nicht direkt die 100 Kilometer sein. Ein “Little Mammut” ist gar nicht so Little und ebenfalls eine krasse Leistung.
Erfolg ist 99 Prozent Misserfolg. Egal, welchen erfolgreichen Sportler man fragt: JEDER hatte mal eine “Downphase”. Shit happens. Wie wir damit umgehen, macht den Unterschied.