“Ich wollte leben”: Helmuts Comeback beim Mammutmarsch Wien
“Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen.” – Hermann Hesse
Wenn ein Lebensmotto zu Helmut passt, dann ist es wohl dieses. Nach einer gefährlichen Lungenfibrose kämpfte er sich zurück ins Leben und will im September am Mammutmarsch Wien teilnehmen, um sein persönliches “Comeback” zu feiern.
Sport war immer ein wichtiger Teil im Leben des 56-Jährigen. Basketball, Squash, Laufen, Radfahren und dann sogar Triathlon: Bewegung gehört für ihn einfach dazu. Ohne ging es nicht. Er war sogar so passioniert, dass die Zeit mit seiner Familie manchmal ein bisschen zu kurz kam.
Auch im Job lief es rund. Helmut konnte seine Leidenschaft zum Beruf machen und machte sich mit einer Fahrradreparaturwerkstatt selbstständig. 2010 war er der größte private KTM-Händler in ganz Österreich und Deutschland.
Und dann das: 2014, als Helmut 49 war, bekam er bei kleinsten Anstrengungen auf einmal Probleme mit der Luft und musste ständig husten. Was dann folgte, waren unzählige Arzttermine, Untersuchungen und sogar eine halbjährige schwere Cortisontherapie. Erst dann kam die schreckliche Diagnose: Helmut litt an einer Lungenfibrose – der aggressivsten Lungenerkrankung, die es gibt.
“Mir wurde dann mitgeteilt, dass ich noch vier bis fünf Jahre zu leben hätte, wenn mein Körper die Medikamente verträgt. Wenn nicht, könnte mir nur eine Transplantation helfen. Die würde ich aber nicht bekommen, da ich durch das Cortison stark zugenommen hatte und inzwischen 117 Kilogramm wog. Das war ein Schlag in die Fresse!”
“Ich wollte leben.”
Aufgeben war keine Option für Helmut. Er stellte seine Lebensgewohnheiten radikal um, ernährte sich gesund und trieb extrem viel Sport. Laufen war nicht mehr möglich, weshalb er auf das Rad umstieg und walkte. Zwei Jahre nach der Diagnose war er bereits auf Sauerstoff angewiesen. Er bekam immer schlechter Luft. Schwere Hustenanfälle waren an der Tagesordnung.
“Oft war das Essen schon eine zu große Belastung für mich. Und dann das nächste Fiasko: Wegen meiner gesundheitlichen Probleme musste ich 2018 mein Geschäft verkaufen und ging in die Erwerbsunfähigkeitspension.”
Doch Helmut gab nicht auf: 2019 hatte er schon so stark abgenommen, dass er wieder bei 81 Kilogramm war. Er hatte sein Ziel erreicht und wurde auf die Warteliste für eine Transplantation gesetzt. Nach sechs Monaten war es so weit: Helmut bekam eine neue Lunge und somit ein zweites Leben geschenkt.
Nach vier Wochen Krankenhaus, vier Wochen Reha und mit 10 Kilogramm weniger auf den Rippen begann Helmut schließlich, neu durchzustarten. Er war geschwächt, zugleich aber unglaublich motiviert: “Ich wollte leben! Ich wollte Sport treiben!”
Doch wie das Leben manchmal so spielt, wurde Helmut erneut auf die Probe gestellt: Die OP-Narbe an der Brust ging auf und Helmut wurde eine Pumpe gelegt, die die Flüssigkeit absaugte. Die Pumpe musste wöchentlich gewechselt werden. So standen also wieder einige Krankenhaustermine an. Auch Helmuts zweites Comeback sollte nicht von langer Dauer sein. Im September hatte er wieder mit einer Wundheilstörung zu kämpfen. Ursache waren eine mit Bakterien infizierte Rippe und zwei Knorpel.
“Bis ich im Januar die Schluss-OP mit Hautverpflanzung hatte, war ich im Jahre 2020 43 mal im Krankenhaus und 32 mal mit Vollnarkose im OP-Saal. Was mir keiner nehmen konnte , war meine Motivation und der Drang mich zu bewegen.”
Zurück im Leben: Aufgeben war nie eine Option
Jetzt, 4 Monate später, ist Helmut wieder körperlich aktiv. Er geht regelmäßig Walken und kommt auf rund 50 bis 60 Kilometer die Woche! Auch Fahrrad fährt er schon wieder.
“Mit meiner Geschichte möchte ich euch mitgeben, dass Aufgeben nie eine Option war, auch, wenn es mir noch so schlecht ging. Im Krankenhaus und in der Reha habe ich so viele tolle Menschen kennengelernt, denen es teilweise noch viel schlechter ging als mir. Ich bin dankbar, dass ich die Chance auf ein zweites Leben bekommen habe. Ein ganz besonderer Dank geht an meine liebe Gattin, die mich gepflegt, gewaschen und angezogen hat, ohne sie wäre Vieles nicht möglich gewesen.”
Warum ICH?
Diese Frage hat Helmut sich oft gestellt. Frustriert war er, ja. Mutlos aber nie! “Ich habe einiges aus dieser Zeit mitgenommen. Ich habe meine Krankheit angenommen, weil ich daran nichts ändern konnte. Jammern hilft nichts! Also habe ich gekämpft. Ich konnte nicht beeinflussen, dass ich krank war. Wie ich damit umgehe, aber schon. Meine positive Einstellung habe ich nie verloren.”
“Es gibt viele Wege zum Glück – einer davon ist aufhören zu Jammern.” – Albert Einstein
“Es gibt nur EIN Leben, und das ist ein Geschenk. Ohne den heutigen Stand der Technik und dem medizinischen Fortschritt würde ich seit vier Jahren schon nicht mehr leben. Es macht mich so glücklich, jeden Tag erleben zu dürfen, egal, ob es ein guter oder Tag war oder nicht. Denn das ist etwas, was ich selbst in der Hand habe! Ich freue mich, wenn es regnet oder wenn die Sonne scheint.”
Zeit, das Comeback zu feiern
Und wie ginge das besser, als beim Mammutmarsch? Helmut wurde über Facebook auf das Event aufmerksam. Nach kurzer Überlegung meldet er sich an: 55 Kilometer in Wien stehen auf dem Plan.
“Und wenn ich das überlebe, fallen nächstes Jahr die 100! Egal, ob in Hamburg, München, Berlin oder Wien. Ich versuche es und werde marschieren.”
Das ist mal eine Ansage. Seine Erwartungen? “Das Ziel! Aber natürlich bin ich auch ein bisschen kompetitiv und hoffe deshalb, den Marsch in unter 10 Stunden zu schaffen. Mithilfe meiner Nordic Walking-Stöcke klappt das vielleicht. Spaß werde ich bei jedem Schritt haben, auch, wenn mancher bestimmt weh tut.”
Wandern reizt Helmut ganz besonders. Schon als Kind unternahm er gemeinsam mit seinen Eltern diverse Touren. Und das scheint ihn geprägt zu haben: Ausdauersportarten mochte er immer am liebsten. Marathon, Triathlon… Seine Leistungen können sich sehen lassen! 2006 wurde er mit seinem Staffelteam Vizeweltmeister über die dreifache Ironman-Distanz! Kurzdistanzen waren dagegen eigentlich nie ein Thema für ihn.
“Sport bedeutet für mich Freiheit!”
Wenn Helmut Sport treibt, fühlt er sich frei. “Selber etwas aus eigener Kraft zu bewegen und zu erleben, ist so viel wert. Um zu laufen, radzufahren, zu walken und zu wandern, brauche ich keine Begleitperson, keinen fixen Ort oder eine bestimmte Uhrzeit. Ich marschiere los, wann und wo ich will. Für mich war es ein unbegreifliches Gefühl, wieder Sport treiben zu können. Wenn ich mit dem Rennrad die Orte aufsuche, an denen ich früher häufig war, kommen starke Emotionen hoch! “
Zum Abschluss hat Helmut noch einen kleinen Hinweis an alle Mammuts da draußen: “Es gibt keinen Schweiß beim Marschieren. Das sind die Muskeln, die weinen.” 🙂
Das könnte dich auch interessieren: