Outdoor mit Sebastian: Wenn Wandern zum Lebensinhalt wird

Einige von euch kennen ihn vielleicht: Sebastian ist in Wanderkreisen schon eine kleine Legende. Sein YouTube-Kanal “Outdoor mit Sebastian” geht durch die Decke: Mehr als 46.000 Abonnenten hat der 39-jährige Kölner inzwischen. Ich durfte Sebastian treffen und ihm Löcher in den Bauch fragen.

Im Vorfeld habe ich mich natürlich durch seinen Kanal geklickt. Seine Videos kommen bei der Community gut an. Warum, verstehe ich auf Anhieb. Ich bleibe regelrecht hängen. Ein-Tages-Touren, Zwei-Tages-Touren, Übernachtungen im Wald, Lost Places… Da kommen schon einige Kilometer zusammen. Worauf sich andere wochen- oder monatelang vorbereiten, ist für Sebastian ein ganz normales Wochenendprogramm. Mir springen Videotitel wie “130 Km in 3 Tagen” oder “Nonstop zu Fuß von Köln nach Venlo” ins Auge – oder auch “Mammutmarsch Berlin 2019, 100 Km in 14 h 50”. 

Ja, richtig gehört. Sebastian scheint unserem Jannik ernsthaft Konkurrenz zu machen (für alle, die Jannik noch nicht kennen: Hier erzählt er, wie er bei der Around the World-Challenge einfach mal 220 Kilometer in rund 33 Stunden zurückgelegt hat). 

Aber zurück zu Sebastian: Schon den ersten Hunderter hat er in unter 17 Stunden gepackt. Das war 2018 in NRW. Ein Jahr später war er in Berlin dann noch einmal eine ganze Stunde schneller. Eine absolute Spitzenleistung, die Sebastian sich früher wohl selbst nicht zugetraut hätte. Seine Passion für das Wandern war nämlich nicht immer schon da. Ganz im Gegenteil.

“Ich war übergewichtig, ein Sportmuffel, und eigentlich gar nicht gerne aktiv. Und auch, wenn viele das nicht glauben: Bis heute kann ich mich für Sport nicht sonderlich begeistern.”

Wieso seine Wahl damals auf das Wandern gefallen ist, erklärt er mir: “Wenn du so übergewichtig bist, gibt es nicht viele Möglichkeiten. Da kannst du nicht von heute auf morgen zum Profisportler werden. Beim Laufen setzt du einen Fuß vor den anderen. Das ging. Also habe ich angefangen: Anfangs 30 Minuten, wenige Kilometer, und mit der Zeit immer mehr und mehr. Und dabei bin ich geblieben.”

“Das war fast ein Selbstläufer.”

Diesen einen “Aha-Moment” gab es allerdings nicht. Kein “Ich muss jetzt Sport treiben, um abzunehmen.”, kein “Ab morgen starte ich.” Wandern war der Auslöser, nicht die Ursache der Gewichtsabnahme, also eher ein willkommener Side Effect, der nebenbei zu einem ganz neuen Lebensgefühl geführt hat. 

Einfach loslaufen, einen Fuß vor den anderen setzen und dabei unglaubliche Distanzen zurücklegen: Mittlerweile bestimmt das Sebastians Alltag. Wenn er nicht wandert, schneidet er. Und seine Community feiert’s. Davon ist der authentische Urkölner manchmal selbst überrascht. “Meine Videos sind teilweise echt lang, einige über eine Stunde. Ich hätte gar nicht die Zeit dazu, mir das alles anzuschauen. Aber die Leute fordern regelrecht neuen Content, schlagen Routen vor und geben mir Feedback. Mir gefällt der Gedanke, andere durch meine Videos zu motivieren und zu inspirieren.” Dabei war die YouTube-Karriere eigentlich gar nicht geplant, sondern – wie seine Gewichtsabnahme – eher ein Selbstläufer. Wie das alles ins Rollen kam?

“Ich treffe euch dann da.”

“Meine Freunde und ich wollten zu einem Goa-Festival bei Berlin und ich dachte mir, lass die anderen mal das Auto nehmen, ich gehe zu Fuß. Also bin ich zwei Wochen vorher losgezogen und hab das alles mit der Kamera begleitet. Mein Onkel kam dann auf die Idee, das Ganze doch bei YouTube hochzuladen. Gesagt, getan. Damals hatte ich nicht besonders viel Ahnung, was die Technik betrifft. Die Videoqualität war echt bescheiden. Aber irgendwie kam das bei den Leuten an. Also habe ich weitergemacht.”

Ich will von Sebastian wissen, ob er nicht manchmal auch unmotiviert ist. Ob diese ständige Erwartungshaltung der Community nicht einen gewissen Druck bei ihm erzeugt. Das verneint er. Zwingen muss er sich eigentlich nie. Auch nicht im Winter, bei Kälte und Dunkelheit. 

“Die Nacht hat so etwas Ehrliches.”

“Ich mag den Winter. Die kalte und dunkle Jahreszeit macht mir nichts aus. Am liebsten bin ich sogar nachts unterwegs. Das ist ja der Abschnitt, mit dem viele Wanderer die größten Probleme haben. Auch beim Mammutmarsch steigen die meisten Teilnehmer nachts aus, wenn es kalt und dunkel ist. Tatsächlich ist das für mich aber der angenehmste Part. Die Nacht hat so etwas Ehrliches. Da komme ich zur Ruhe und kann das richtig genießen.” 

Da verwundert es mich kaum, dass Sebastian auch gern allein unterwegs ist. “Ich komme prima mit mir selbst aus, auch stundenlang. Ich brauche keine Gesellschaft beim Wandern. Langweilig wird mir nie. Veranstaltungen wie den Mammutmarsch genieße ich aber trotzdem. Das ist einfach eine andere Atmosphäre… Die Stimmung an den Verpflegungspunkten, der Zieleinlauf, das hat einfach was!”

Seine Heimatstadt Köln sieht er aber auch gerne bei Tageslicht. Am liebsten läuft er früh morgens los, gerne durch die Innenstadt, überall dort, wo was los ist, und am liebsten auf Asphalt. Seine Runden kennt er ganz genau. Je nach Strecke braucht er weder Uhr noch App – das ist schon beeindruckend. Auch unser Treffen fand gehend statt. Vom Heumarkt am Rheinufer entlang, über die Hohenzollernbrücke, rechtsrheinisch zurück bis zur Severinsbrücke. Sebastian wusste zu jedem Zeitpunkt ganz genau, welche Distanz wir zurückgelegt haben. 

Apropos Distanz: Seine bisher längste Strecke am Stück legte er bei unserer Around the World-Challenge 2021 zurück, 150 Kilometer in 23 h 40. “Ohne die Unterstützung meiner Community hätte ich das vermutlich nicht geschafft.”

Eine sehr lange Strecke hat Sebastian außerdem beim Kölnpfad 2019 zurückgelegt. 171 Kilometer waren geplant. 122,8 sind es am Ende geworden. Wegen einer Verletzung hörte er vorzeitig auf. Wobei das Wort “vorzeitig” einer solchen Wahnsinnsleistung wirklich nicht gerecht wird. 

“Wenn ich ehrlich bin, war ich schon ein bisschen erleichtert, einen Grund zu haben, die Quälerei zu beenden. Zugleich hat mich das aber auch deprimiert. Klar, aussteigen ist nie schön. Aber in diesem Fall war es richtig.”

Super wichtig: Verletzung von Erschöpfung zu unterscheiden. Sich ein bisschen zu quälen gehört für Sebastian aber trotzdem dazu. “Ich habe einen gewissen Hang zum Extremen, ein Schwarz-Weiß-Denken. Ganz oder gar nicht.” Das spiegelt sich auch in seiner Verpflegung wider: Ich esse beim Wandern grundsätzlich wenig. Der Verzicht macht für mich einen Reiz aus. Ich beiße lieber die Zähne zusammen und quäle mich ein bisschen. Hinterher habe ich dann das Gefühl, mir richtig etwas gönnen zu können.”

Sebastians YouTube-Kanal findet ihr übrigens hier. Reinschauen lohnt sich! Ein Satz ist bei mir ganz besonders hängen geblieben. Er spiegelt die positiv-verrückte Mammutmarsch-Mentalität perfekt wider: 

“Ihr hört, ich bin außer Atem. Das habe ich gebraucht. Geil!”

Vielen Dank, Sebastian, dass du dir die Zeit genommen und uns einen so spannenden Einblick gewährt hast. 

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