Im Wettstreit mit sich selbst: Nikola wird „Last One Standing“
Erinnert ihr euch noch an die erste Around the World-Challenge im Februar? Und an Janniks unglaubliche 220 Kilometer? Dass jemand diese enorme Distanz noch einmal toppen würde, hätte wohl keiner geglaubt. Aber Nikola Dietz hat genau das geschafft! Die 24-jährige aus NRW hat noch einmal 20 Kilometer draufgelegt. 240 Kilometer in zwei Tagen. Herzlichen Glückwunsch, liebe Nikola. Damit hast du definitiv Mammut-Geschichte geschrieben.
Der erste Mammutmarsch – und dann gleich ein Rekord
Ich glaube, wir haben ein verstecktes Talent aufgespürt. Man könnte ja meinen, dass Nikola ein alter Hase ist und schon etliche Male am Mammutmarsch teilgenommen hat. Fehlanzeige: Das war tatsächlich ihr allererster! Die Anmeldung kam sogar ziemlich spontan. Ich durfte Nikola ausfragen und möchte euch ihre Antworten natürlich nicht vorenthalten.
“Von den Mammutmarsch Event habe ich durch Freunde erfahren und mich einfach mal zusammen mit ihnen angemeldet. Das war eine sehr spontane Entscheidung. Mein erster Mammutmarsch – aber ganz bestimmt nicht mein letzter (lacht).”
Die Liebe zum Wandern entdeckte Nikola aber schon relativ früh. Und auch abseits vom (Ultra-)wandern nimmt Sport einen wichtigen Teil ihres Alltags ein!
“Die Faszination für’s Wandern kam mit 15 Jahren im Allgäu-Urlaub. Abgesehen davon verfolge ich aber noch einige andere Sportarten: Seit 14 Jahren bin ich im Segelverein, fahre Kanu, mache gerne Kampfsport und gehe gerne laufen. Wenn dann noch Zeit bleibt, findet man mich in der Turnhalle an den verschiedensten Turngeräten.”
Aber zurück zum Wandern. Wer an nur einem Wochenende ganze 240 Kilometer auf den eigenen zwei Beinen zurücklegt, scheint wirklich passioniert zu sein. Nikola, was treibt dich an, was motiviert dich zu derart extremen Distanzen?
“Was mich motiviert ist, immer wieder etwas Neues zu entdecken, Erfahrungen zu machen und Eindrücke zu sammeln. Ob das Städte sind, die ich noch nicht kenne und mich von kleinen, verwinkelten Gassen überraschen lasse, oder in einsamen, weiten Landschaften unterwegs bin und stundenlang keine Menschenseele treffe. Genau diese Abwechslung macht mir unglaublich viel Spaß. Da kommt die Lust, loszuwandern, von ganz alleine.”
Und so war es wohl auch bei der Around the World-Challenge. Bei Nikola standen nicht Leistung und Biss an erster Stelle, sondern Spaß und Spontanität.
“Mein Ziel war es nie, “Last One Standing” zu werden. Ich bin absolut keine kompetitive Person. Was mich stolz macht, sind vor allem gemeinschaftliche Aktionen – also wenn viele Menschen zusammen etwas so Großes meistern. Genau deshalb war die Around the World-Challenge das perfekte Event für mich: Es ging um etwas, was man gemeinsam schafft. Das einzige Ziel, das ich mir selbst gesetzt habe war, in den Wettstreit mit mir selbst zu gehen und alles aus mir herauszuholen, was geht.”
Und das war tatsächlich einiges! Eine derart lange Strecke bedarf ja einiger Planung. Hast du dir die genaue Route im Vorfeld überlegt? Warst du allein oder in einer Gruppe unterwegs?
“Ich hatte mich zwar mit Freunden zusammen angemeldet, war letzten Endes aber trotzdem alleine unterwegs. Die Strecke habe ich nicht im Detail geplant. Nur für den nächtlichen Abschnitt habe ich mir Gedanken gemacht und überlegt, wo ich am besten langlaufe, damit – wenn man was passieren sollte – schnell Hilfe vor Ort ist. Die restliche Planung hat sich auf das Motto “Mal schauen, wie weit ich komme” beschränkt.”
Umso beeindruckender, dass daraus 240 Kilometer wurden! Wie ging es dir unmittelbar und einige Tage nach der Challenge? Hattest du irgendwelche Verletzungen? Wie lange braucht dein Körper, um sich von derart extremen Belastungen zu erholen?
“Mein Körper hat ziemlich lange gebraucht, um sich von der Challenge zu erholen. Noch zwei Wochen später hatte ich mit Blasen an den Füßen zu kämpfen. Dazu kam noch eine leichte Schleimbeutelentzündung in beiden Knien. Nach etwa vier Wochen war dann aber zum Glück wieder alles abgeheilt.”
Das klingt schmerzhaft. Schmerzen und Tiefpunkte treten ja oft auch schon während des Wanderns auf, und nicht erst danach. Bei deiner langen Distanz hattest du sicherlich einige Tiefpunkte, oder?
“Ohja, da gab es einige. Der erste Tiefpunkt kam nach circa 52 Kilometern. Auslöser war ein kurzer Regenguss, nicht mehr und nicht weniger, aber das hat gereicht, um mich komplett aus dem Rhythmus zu bringen. Dann hilft nur: Musik laut aufdrehen oder einen lustigen Podcast anmachen. Die nächsten Tiefpunkte – drei weitere – kamen alle in der Nacht. es war einfach nur ein kurzer Regenguss der mich aber komplett aus meinem Rhythmus geholt hat. Die nächsten drei kamen alle in der Nacht. Die Nacht ist meine absolute Schwachstelle.”
Ohja, der nächtliche Abschnitt fällt den meisten Teilnehmern am schwersten. Woran liegt das bei dir? Hast du irgendwelche Tricks, um es trotzdem durch die Nacht zu schaffen?
“Es fällt mir wirklich unglaublich schwer, in der Dunkelheit zu wandern. Wenn der nächtliche Abschnitt dann noch im Wald stattfindet, ist das mein Albtraum. Müdigkeit ist dabei eigentlich kein Problem, sondern eher Angst. Das liegt wahrscheinlich an dem ein oder anderen Horrorfilm, der mir dann nicht aus dem Kopf gehen will (lacht). Mein Tipp: Sucht euch für die Nacht gut ausgeleuchtete Wege!”
Beim Wandern verbringen wir viel Zeit, in denen wir nur mit uns selbst beschäftigt sind – mal ein Fluch, mal ein Segen, oder? Wie füllst du diese Zeit (gedanklich)?
“Oh ja, natürlich tut es gut, sich mal nur mit sich selbst zu beschäftigen. Wenn ein Tief kommt, dann kann es aber auch zum Fluch werden, nur mit sich alleine zu sein. Um diese Zeit zu füllen hilft bei mir nur Musik und mir positive Gedanken zu machen.”
Wie sah dein Proviant aus? Gibt es etwas, was du immer dabei hast? Was ist dein absoluter Lieblingssnack?
“Was immer dabei sein muss, ist Schokolade. Ohne geht nicht, das ist mittlerweile ein Muss geworden (lacht). Ich hatte aber auch eine riesige Lunchbox mit Spaghetti Bolognese, eine Menge Obst, Nüsse, Magnesium, viele Müsliriegel, isotonische Getränke sowie drei Liter Wasser, zwei Liter Cola und Salzstangen ohne Ende im Rucksack.”
Und welcher Gegenstand darf auf keinen Fall in deinem Rucksack fehlen?
“Ein kleines Wanderkuscheltier, das mich seitdem ich 16 Jahre alt bin immer bei meinen Wanderungen begleitet.”
Hast du dich körperlich (oder mental) besonders auf die Challenge vorbereitet? Wenn ja: Wie sah diese Vorbereitung aus?
“Auf die Challenge selbst habe ich mich eigentlich nicht großartig vorbereitet, da die Anmeldung ja recht spontan kam. Ich habe aber unabhängig vom Mammutmarsch schon vor einige Monaten begonnen, nach 100 Kilometern, die ich an einem Tag zurückgelegt habe, am nächsten dann direkt wieder loszuziehen. So habe ich Schritt für Schritt immer mehr Kilometer geschafft. Das war aber alles nur für mich selbst und mit keinem bestimmten Ziel vor Augen.”
Mit etwas Abstand zur Challenge: Gibt es etwas, was du im Nachhinein anders gemacht hättest?
“Da ich an beiden Tagen die gleiche Tour gegangen bin würde ich mich das nächste mal für zwei unterschiedliche Strecken entscheiden. Einfach, um für mehr Abwechslung zu sorgen.”
Die ATW-Challenge ist ja aufgrund der Pandemie entstanden. Wie gefallen dir solche Konzepte? Hilft dir das Wissen, dass gerade noch Hunderte andere Wanderer aus der Community mitmarschieren?
“Ja, definitiv. An dem Event reizt mich total der Zusammenhalt der Community, so etwas habe ich noch nie erlebt. Deswegen an dieser Stelle mal ein riesengroßes Dankeschön an alle, die dabei waren und diese tolle Veranstaltung überhaupt erst ermöglicht haben!!! Grundsätzlich gefallen mir solche digitalen Challenges super gut. So hat nämlich jeder die Möglichkeit, teilzunehmen – allein schon, weil An- und Abreise wegfallen. Das ist für alle toll, die zum Beispiel aus beruflichen Gründen nicht so einfach wegkönnen oder zeitlich eingeschränkter sind.
Davon abgesehen: Klar, eine Online-Challenge ist natürlich ein ganz anderer Rahmen: Es gibt keine Zuschauer, man muss sich selbst sich Gedanken machen über die richtige Menge der Verpflegung, der Zieleinlauf ist auch nicht besonders spektakulär. Ich finde aber, dass genau das den Reiz ausmacht: Sich im Vorfeld Gedanken machen, wie ich mir die digitale Challenge selbst am schönsten gestalten kann.
Am Tag der Challenge ist es natürlich total motivierend zu wissen, dass hunderte Andere mitmarschieren. Es gab diverse WhatsApp-Gruppen, in denen wir uns gegenseitig gepusht haben. Alle haben zusammengehalten, sich gegenseitig aufgebaut und angefeuert. Das war echt die ideale Lösung. So ist man zwar allein unterwegs gewesen, aber irgendwie doch zusammen.”
Danke für deine Zeit, liebe Nikola. Auf hoffentlich viele weitere Mammutmarsch-Teilnahmen und Rekorde! 🙂
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