Neujahrsvorsätze klappen eh nie? Doch. Können sie.

Mal ehrlich, 2020 hat sich glaube ich jeder anders vorgestellt. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte, als ich vor ein paar Tagen meine Liste gefunden habe, auf der ich Ende 2019 hochmotiviert meine Neujahrsvorsätze notiert habe. 

Mehr Reisen. An mehr Wettkämpfen teilnehmen. Weniger Alkohol trinken. Positiver sein. Hahaha. Knapp daneben ist auch vorbei. Für die ersten beiden Punkte habe ich gute Ausreden. Für die letzten drei vielleicht auch. Naja. Aber jetzt mal Klartext: Corona ist eigentlich nicht Schuld. In den Jahren davor lief es nämlich nicht viel besser. Die ersten zwei bis vier Wochen ist man noch motiviert bei der Sache. Spätestens dann kommt der Alltag dazwischen. Stress auf der Arbeit, eine Krankheit, die Liste ist ewig lang… 

Viele visieren an Neujahr große Ziele in Sachen Ernährung und Sport an, und fast genauso viele schaffen es nicht, ihre Vorsätze wie geplant umzusetzen. 

Woran kann das liegen? Warum brechen wir immer wieder mit unseren Vorsätzen oder ziehen sie am Ende doch nur halbherzig durch, machen mal hier, mal da eine Ausnahme, bis der gute Vorsatz irgendwann einfach vergessen (oder eher: verdrängt) ist. Warum sind alle Fitnessstudios im Januar überfüllt und im März wieder leer? (Corona lassen wir jetzt mal beiseite). Was können wir tun, um auf dem Weg zu unserem Ziel nicht schon nach wenigen Wochen falsch abzubiegen? 

Gut geplant ist halb gewonnen? Nicht ganz

Wenn wir uns etwas vornehmen, neigen viele dazu, sich erst einmal einen Plan zu machen – je nach Vorsatz zum Beispiel einen Trainings- oder Ernährungsplan. Denn gut geplant ist ja halb gewonnen, oder?

Jain. Ein guter Plan kann hilfreich sein und uns auf unserem Weg ans Ziel unterstützen. Pläne allein bringen dich aber auf Dauer in der Regel nicht ans Ziel. Warum nicht? 

Das reine Wissen ist meist nicht das Problem. Wer sich gesünder ernähren will, scheitert nicht daran, dass er nicht weiß, was dem Körper gut tut und dass ein Apfel mehr Nährstoffe enthält als ein Nutellabrötchen. Wissenschaftlich gesehen ist das alles erst einmal kein Hexenwerk. Wäre da nicht unsere Psyche. 

“Erfolg hat drei Buchstaben: TUN”

Das Problem ist die Umsetzung 

In der Theorie funktionieren Trainings- und Ernährungspläne natürlich. In der Praxis spielen sie aber erst einmal eine untergeordnete Rolle. Denn Wissen kann zwar Macht sein, aber nur dann, wenn es richtig angewendet wird. Dirk Kreuter hat mal einen Spruch gebracht, den ich super gut finde: 

“Wir sind Wissensriesen und Umsetzungszwerge”.

Kein Plan der Welt wird uns ans Ziel bringen, wenn wir nicht hinter die Fassade schauen und uns vor Augen führen, woran wir scheitern. Vielleicht hilft es dir, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen und dir folgende Fragen zu stellen:

  • Was sind wiederkehrende negative Verhaltensmuster, die ich ändern will?
  • In welchen Situationen werde ich “schwach”?
  • Was fühle ich in diesen Situationen? 
  • Was  geht dabei in meinem Kopf und meinem Körper vor? 

 

Konkret gesagt: Was gibt dir die abendliche Tafel Schokolade, was gibt dir der Abend auf dem Sofa, den du eigentlich lieber beim Sport verbringen wolltest? 

It’s all in your head 

Warum tun wir die Dinge, die wir für uns selbst als schlecht erachten? Bleiben wir bei der Tafel Schokolade, die man sich vielleicht nach dem Abendessen reinzieht, obwohl man doch eigentlich schon satt ist und sich so fest vorgenommen hat, dieses Mal nicht schwach zu werden. 

Oft geht es um Emotionsregulierung: Vielleicht bist du müde, erschöpft, traurig. Du findest keine Balance zwischen Arbeit und Freizeit, bist einsam. Die Schokolade dient als Ersatz für etwas, das fehlt. Wir setzen (in diesem Fall) also unser Essverhalten entgegen, um einen Ausgleich zu schaffen und fühlen uns – zumindest kurzfristig – besser. Dadurch manifestiert sich eine Gewohnheit, die wir doch eigentlich vermeiden wollten. 

Und Gewohnheiten, das ist bekannt, sind super hartnäckig. Sie aufzubrechen, braucht ein System und vor allem Geduld. 

Das Prinzip der Minimalkonstanz

Vielleicht habt ihr schon mal was vom Prinzip der Minimalkonstanz gehört – eine Art Erfolgsprinzip, das in vielen Lebensbereichen sehr wertvoll sein kann. Um es auf eine kurze Definition runterzubrechen: Hinter dem Prinzip der Minimalkonstanz steckt der Ansatz, dass die Dinge, die du täglich mit minimalem Aufwand machst, zu deinem Erfolg führen. Also: lieber etwas weniger machen, dafür aber konstant. 

Ein Beispiel:

Zwei Männer nehmen sich vor, 2021 mit dem Laufen zu beginnen, um abzunehmen und fitter zu werden. Beide waren bisher eher unsportlich und bewegen sich im Alltag kaum. 

Mann 1 stattet sich von Kopf bis Fuß mit bester Laufbekleidung aus, kauft sich die brandneue Garmin, lässt sich einen 1A-Trainingsplan von einem Profi erstellen und meldet sich hochmotiviert für den nächsten Berlin-Marathon an. Anfang Januar geht es direkt los: 5 Mal die Woche, zwei Stunden täglich. Höher, schneller, weiter. Nach zwei Wochen merkt Mann 1, dass er ganz schön erschöpft ist und ihm alles wehtut. Die Arbeit schlaucht, draußen ist es kalt und dunkel und “einmal ausfallen lassen” ist ja nicht so schlimm. Aus einem Mal werden schnell zwei, drei, vier Male, eine ganze Woche, und schließlich ist Mann 1 einfach raus. Der Berlin-Marathon ist vergessen. 

Mann 2 beginnt langsam. Dreimal die Woche für je 20 Minuten. 5 Minuten Laufen, 5 Minuten Gehen im Wechsel. Sein zeitlicher Aufwand ist gering, sein Körper nicht allzu erschöpft. Er bleibt dran. Über Wochen. Über Monate. Er meldet sich für einen 5-Kilometer-Lauf an und finished. Er ist stolz und schafft einige Wochen später 10 Kilometer.  

Wer den größeren Nutzen aus seinem Verhalten zieht, liegt auf der Hand. Der Mensch an sich ist ungeduldig und neigt dementsprechend zu radikalen Maßnahmen.

Januar 2021: Kein Fast Food und Alkohol mehr, fünf Mal die Woche trainieren, von 0 auf 100. Finde den Fehler. Wir wollen zu viel auf einmal, was kann nie schnell genug gehen.

Prinzip der Minimalkostanz > “Alles-oder-Nichts-Prinzip”

Wer zu sehr nach dem “Alles-oder-Nichts-Prinzip” handelt, hat oft Schwierigkeiten, sein neues Programm (ob nun Sport, Ernährung oder was auch immer), in den Alltag zu integrieren. Fange also besser mit kleinen Veränderungen an. Langsam, mit wenig Druck und Aufwand, aber kontinuierlich. Wie läufst du einen Marathon? Schritt für Schritt. Wie isst du gesünder? Mahlzeit für Mahlzeit. Langfristige Veränderungen erfordern Lösungen, die realistisch umsetzbar sind. 

Ein gutes Beispiel: der Mammutmarsch. Es muss nicht unbedingt direkt der Hunderter sein. 3o oder 55 Kilometer sind auch eine super starke Leistung! Und mit dem Erfolg kommt die Motivation, sich mit der Zeit höhere Ziele zu stecken.

Übrigens: Laut wissenschaftlicher Studien hast du eine Handlung nach 21 Tagen verinnerlicht – und damit dein Wissen in Weisheit verwandelt. 

To make a long story short… Hier nochmal das Wichtigste für den Hinterkopf: 

  1. Erforsche gründlich deine Verhaltensmuster und schaue hin, was hinter diesem Verhalten steckt (welche Emotionen, Gefühle, Gedanken?)
  2. Lass den Druck. Radikalvorhaben scheitern in den meisten Fällen. Nimm dir erst einmal eine Baustelle vor und erlaube dir bei den anderen Baustellen eine Schonfrist, bis du das Gefühl hast, dass sich dein erster Vorsatz zu einer Gewohnheit entwickelt hat. Step by step. 

“Du bestimmst, wie viel deiner körperlichen Leistungsfähigkeit durch deine mentale Stärke unterstützt wird.” 

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mir hilft es, auf mein Jahr zurückzublicken. Mich schriftlich mit den vergangenen 365 Tagen auseinanderzusetzen und mir vor Augen zu führen, woran ich im nächsten Jahr arbeiten will. Aber nicht nur das: So ein Rückblick zeigt nämlich nicht nur, woran man gescheitert ist, sondern auch, was gut lief. 

Das ist für das Jahr 2020 vielleicht ganz besonders wichtig… Es war bestimmt nicht alles scheiße, auch wenn es für einige auf den ersten Blick so scheint. Aber darum soll es im nächsten Artikel gehen. 🙂 

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